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Landesheil– und Pflegeanstalt Nietleben

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LANDESHEIL-UND PFLEGEANSTALT NIETLEBEN

Das Gelände war der sogenannte „Schiffsche Weinberg“ auf der damaligen Nietlebener Gemarkung. Er gehörte seit mindestens 1816 dem Stadtkämmerer Daniel Gottlob Schiff. Von 1787-1792 lebte und arbeitete hier C.F Bahrdt. Auch er betrieb einen Ausschank. Scharenweise zog es die Hallenser hierher. Wein, Kaffee, Bier, gutes Essen; alles war zu haben. Auch für Abwechslung war gesorgt: Jahrmarktsfeste, Weinlesen, Vogelschießen, Kirmesfeste wurden veranstaltet. 1805 kam der Weinberg in Besitz von Frau Hauptmann v. Beutekorn, geb. Lichtius. Nach 1808 gehörte er dem Glauchaer Stadtkämmerer J.H. Hennicke. 1830 beschlossen die Provinzialstände des Landes Sachsen den Bau der Provinzial- Irrenanstalt. Am 1. November 1844 wurde der Anstaltsbetrieb aufgenommen. Neben Gebäuden für Kranke, Verwaltungs- und Wirtschaftseinrichtungen entstanden auch Beamtenhäuser und Arztvillen. Das „Feldschlösschen“ wurde Wohnhaus für die Pfleger. Im Laufe der Jahre erfolgte der Ausbau der Anstalt. Ein großer Teil der Anlage wurde mit einer aus roten Klinkern errichteten Mauer umgeben und blieb 150
Jahre für die Hallenser unzugänglich.
Im 18. Jahrhundert stand man dem Phänomen der Geisteskrankheiten noch recht hilflos gegenüber; erst allmählich setzte sich die Erkenntnis durch, dass sie ebenso wie körperliche Krankheiten entstehen und wie diese behandelt und geheilt werden können. Umso höher ist der Stellenwert der Landesheil- und Pflegeanstalt Nietleben zu bewerten, die eine kleine Stadt für sich bildete, verborgen in schönen und ausgedehnten Anlagen mit altem Baumbestand und dichtem grünen Buschwerk.
Jener älteste Teil der Anstalt wies noch das reine sogenannte „Korridor-System“ auf, d.h. die damals üblichen langen Flure mit den darauf ausmündenden Einzelzimmern. Später wurden dann 14 Krankenvillen hinzu gebaut, so dass die Anstalt jetzt im „gemischten System“ das Korridor- und das moderne „Pavillon-System“ vereinte. Außer den Wohn- und Verwaltungsgebäuden besaß die Anstalt, deren Grundstück rund 60 Hektar groß war, eine Kirche und einen Wasserturm, der die eigene Wasserversorgung ermöglichte. Für den Notfall war die Anstalt jedoch auch durch einen unter der Saale hindurchgeführten Rohrstrang an die Wasserleitung der Stadt Halle angeschlossen; die Elektrizitätsversorgung erfolgte durch die halleschen Werke. Ferner waren u.a. eine Zentralküche und neben der Ofenheizung eine Zentralheizung vorhanden.
Doch bis dahin war es ein langer Weg gewesen: Ständig musste man gegen die schlechten hygienischen Bedingungen und die unzureichende Wasserversorgung kämpfen. Die Choleraepidemien von 1866 und auch von 1893, in deren Verlauf von 122 erkrankten Patienten 52 starben, wiesen erneut auf die unzulänglichen Wasserverhältnisse hin.
1908 ging das "Feldschlösschen" in den Besitz der Anstalt über, 1920 zogen Pfleger ein. Nach 1910 wurden mehrere Pflegerwohnhäuser errichtet. 1910 dehnte sich das Anstaltsterritorium weiter aus.
1927 betrug die Anzahl der Kranken in Nietleben 950, und zwar 535 Männer und 415 Frauen. Zu ihrer Betreuung waren außer dem Direktor, dem Honorarprofessor an der Universität Dr. Pfeifer, fünf Ärzte und rund 200 Köpfe Pflegepersonal tätig. Sie versahen einen verantwortungsvollen Dienst. Er hatte sich durch die Behandlung der Geisteskranken in den letzten Jahrzehnten wesentlich geändert: Gewaltmittel wie Zwangsjacke und Gummizelle gehörten der Vergangenheit an. Zweckmäßige Beschäftigung galt als das wirksamste Behandlungsmittel. Die Kranken wurden mit Landarbeit, aber auch in zahlreichen Werkstätten beschäftigt. Eine große Unterhaltungsbibliothek stand ihnen zur Verfügung, und regelmäßige musikalische Unterhaltungen wurden veranstaltet. Der Gesamtzuschuss der Provinz für die Anstalt beträgt im laufenden Rechnungsjahr rund 556 000 RM.
Vom 1. Mai 1917 - 30. Juni 1923 bestand in Nietleben ein Sonderlazarett für Hirnverletzte, dem ein psychologisches Laboratorium und eine Werkstätte für Arbeitstherapie angegliedert war. Als Zentrum für die Behandlung der Paralyse genoss Nietleben unter der Leitung des Direktors Prof. Dr. Pfeiffer einen guten Ruf in Fachkreisen. 50 % der Erkrankten wurden wieder arbeitsfähig.
Als einzige Irrenanstalt der Provinz besaß Nietleben seit 1912 ein Verwahrungsheim für geisteskranke Verbrecher, 1927 zählte dieses 58 Insassen.
Am 1. Juli 1935 wurde die Anstalt geschlossen, Wasserturm, Verwahrhaus, Maschinenschornstein wurden gesprengt. Die Kranken wurden auf die Anstalten in Alt-Scherbitz, Uchtspringe und Jerichow verteilt.

Literatur:

bulletDie Provinzial-Anstalten in Halle. Schmiedehausen, Walter in: Hallische Nachrichten, SBL. Mai 1927
bulletEntstehung und Entwicklung der Anstalt Nietleben…(Beilage zu Nummer 46 des „Heide-Boten“ 1928)
bulletDie Provinzial-Irrenanstalt Nietleben: Dr. Elisabeth Schwarze-Neuß (Handschrift)
bulletChronik der Provinzial-Irrenanstalt Nietleben: D. Schermaul (Handschrift)
bulletDie „Anstalt Nietleben“ gehört nun der Vergangenheit an: M. Schick in: Heidebote Nr. ? /1938
bulletDie Nietlebener Flur: D. Schermaul 1999/2000 (Handschrift)
 
Nietlebener Kalenderblätter 2008

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Stand: 13. September 2018